Geschichtslektionen unter Tropensonne – im Rajabhakti Park von Hua Hin. Notizen aus Thailand (2)

Am südlichen Stadtrand von Hua Hin liegt der Rajabhakti Park, ein Park, der eigentlich keiner ist, sondern inklusive seiner Zufahrtsstraßen ein von Bismarckpalmen (Bismarckia nobilis) gesäumter riesiger Appellplatz des thailändischen Militärs. An seiner Frontseite wird der Platz begrenzt von einem halbrunden, 134 m langen und acht Meter hohen Sockel, auf dem sieben, jeweils knapp 14 m hohe Bronzefiguren stehen. Die Bismarckpalme ist nicht zufällig gewählt. Der Platz strahlt auch für thailändische Verhältnisse eine extreme Hitze aus. Ich musste an die armen Kerle denken, die hier gelegentlich aufmarschieren müssen…


Foto: Wolfgang Brauer (2025)

Aber man sollte sich von den äußeren Umständen nicht abschrecken lassen – nach Beendigung der Besichtigungstortur kann man sich in einem klimatisierten Café am Rande des Platzes trefflich sanieren… Das Studium der sieben Statuen und ihrer Geschichte lohnt sich. Jenseits der üblichen folkloristisch-merkantil ausgerichteten Tourismus-Programme erfährt man Einiges, das nicht nur die thailändische Geschichte, sondern nicht zuletzt die gegenwärtigen Verhältnisse im Königreich besser verstehbar macht.

Die sieben Statuen bilden große Könige der thailändischen Geschichte ab. Zwei weitere sind wohl in Planung. Wer einigermaßen die thailändische Gesellschaft kennt, wird ahnen, wer den Sieben folgen wird. Einen Namen nenne ich im Weiteren schon einmal… Dass alle den Beinamen „der Große“ tragen, hat mit jüngeren Bewertungen zu tun. Der offizielle Beiname resultiert aus Parlamentsbeschlüssen der 1980er-Jahre. So etwas ist uns nicht fremd. Auch unsere Parlamente neigen zu von ihnen sanktionierten Wertungen der Geschichte.

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König Ramkhamhaeng. Foto: Wolfgang Brauer (2025)

Den Parcours durch 750 Jahre siamesische Geschichte – „Thailand“ heißt das Königreich offiziell erst seit 1939 – eröffnet Ramkhamhaeng, „Rama der Wagemutige“ (1239-um 1298), eine Erscheinung wie aus dem „Ramayana“-Epos. So stellt man sich in Europa den König von Siam vor. Ramkhamhaeng regierte das Thai-Königreich Sukhothai – das lag hauptsächlich im nördlichen Chao-Praya-Becken – seit 1279. Ihm gelang es, das von seinem Vater gegründete Sukhothai stabil zu halten, auswärtige Bedrohungen abzuwehren und eine kulturelle Basis zu legen, die noch heute den Kitt der thailändischen Gesellschaft bildet: die Einführung des Buddhismus in seiner stark ceylonesisch geprägten orthodoxen Variante, die Stabilisierung eines zumindest der politischen Zielsetzung nach dem Wohle des Volkes verpflichteten Königtums und die Etablierung der kulturellen Eigenständigkeit Siams. Am sichtbarsten wurde das durch die Einführung der heute noch üblichen Schrift. Gerade diese kulturelle Komponente ist angesichts der Strahlkraft schier übermächtiger Nachbarn wohl die größte Leistung, die auf Ramkhamhaeng zurückgeht. Unter diesem König wies Sukothai im 13. Jahrhundert eine selbst für die hervorragend organisierten ostasiatischen Reiche herausragende Wirtschafts- und Infrastraktur auf. Die europäischen Zustände der Zeit kann man vergleichsweise nur erbärmlich nennen. Ramkhamhaeng gilt nicht zufällig vielen Thais weniger als Monarch denn als pho khum („väterlicher Herrscher“).

Im Historischen Park von Sukhothai wird er übrigens mit einer Schreibtafel in der Hand dargestellt. Aber Rajabhakti ist eine Gründung der Militärs. Hier hält der König das Ngao – eine Art Langschwert auf Lanzenbasis – in der Linken, allerdings relativ zivil…

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Neben Ramkhamhaeng steht Naresuan der Große (1555-1605), König von Ayutthaya seit 1590. Sukhothais Niedergang setzte in der Mitte des 14. Jahrhunderts ein. Nach wenigen Jahrzehnten ging es im Reich von Ayutthaya auf – die Stadt war eine Neugründung des Jahres 1351. 1511 tauchten hier die ersten Portugiesen aus Goa auf. Die wurden noch nicht als Bedrohung wahrgenommen. Ayutthayas permanente Bedrohung kam von den Nachbarn, vor allem vom Königreich Birma. 1569 eroberten die Birmaner nach heftigen Auseinandersetzungen erstmals die Stadt. Naresuans Vater kollaborierte mit den Eroberern, die Gründe sind umstritten – jedenfalls machte er sich 1569 zum neuen König von Ayutthaya. Sein Sohn sorgte unter birmanischer Oberhoheit – wahrscheinlich mit Billigung des Vaters – mit großem Geschick für die Wiederherstellung der militärischen Handlungsfähigkeit Ayutthayas. Die Wiederaufnahme des Konfliktes war programmiert. 1590 übernahm Naresuan die Krone des Vaters. 1591 besiegte er erstmals das birmanische Heer. Legendär ist das Kriegselefantenduell, bei dem er 1593 den birmanischen Kronprinzen Minguyi Swa mit dem Ngao getötet haben soll. Das setzte erst einmal der Bedrohungssituation durch den westlichen Nachbarn ein Ende.


König Naresuan der Große. Foto: Wolfgang Brauer (2025)

Mit dem Auftauchen der holländischen Ostindienkompanie und deren unübersehbaren Rivalitäten über die Vorherrschaft in Südostasien mit ihren europäischen Konkurrenten erschien allerdings schon eine Art Wetterleuchten über dem Südchinesischen Meer. Insgesamt betrieb der König eine äußerst expansive Politik. Naresuan gilt aber als einer der intelligentesten Herrscher Siams und als genialer Militärstratege. Vor allem Letzteres sichert ihm wohl bis heute die Verehrung des Militärs.

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Neben König Naresuan steht Narai der Große. Narai übernahm die Herrschaft in Ayutthaya 1656. 1688 starb er, ohne einen legitimen Erben zu hinterlassen. Sein Nachfolger Phetracha hatte die potenziellen Kandidaten aus dem Wege räumen lassen.


König Narai der Große. Foto: Wolfgang Brauer (2025)

Narai hatte das Problem, dass in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Gier der Europäer nach den Schätzen Siams übergroß wurde. Den Portugiesen folgten die Niederländer. Dann kamen die Franzosen und schließlich versuchten auch noch die Engländer ihren Stiefel in das Königreich zusetzen. Die wurden allerdings des Landes verwiesen. Narai – der im Wesentlichen den Europäern freundlich gesonnen war – entwickelte eine Art „Schaukelpolitik“ zwischen den rivalisierenden Mächten von jenseits des großen Meeres, die bis weit in das 20. Jahrhundert hinein von den Königen Siams und den späteren Herrschern Thailands praktiziert wurde. Das kam einerseits der einsetzenden Modernisierung des Landes zugute. Andererseits sorgte die von Narai entwickelte Politik dafür, dass das Land im Gegensatz zu seinen Nachbarn einer Kolonisierung entging. Nur am Rande: China und Japan praktizierten zeitgleich eine Politik der Abschottung. Mit König Phetracha setzte sich dann die europäerfeindliche Fraktion in Ayutthaya durch. Eine Politik des Isolationismus konnte der aber auch nicht mehr realisieren. Die Handelspartner des Königreiches lagen nun eher in Ostasien.

Aus jener Zeit stammt das geflügelte Wort der Thais, dass die Gefahren immer vom Meer kämen. Tsunami-Wellen sind damit nicht gemeint… Ein hübscher Beleg dafür sind die beiden riesigen Wächter-Figuren am Eingang des Wat Pho – des Tempels mit dem riesigen liegenden Buddha – in Bangkok. Im Volksmund werden sie „Marco Polos“ genannt, es sind stilisierte Europäer aus der Zeit König Narais. Buddhistische Tempeleingänge werden oft von Dämonen und Teufeln bewacht. Der Anblick des Bösen schreckt das Böse ab. Wir kennen das von den christlichen Kirchen des Mittelalters.


Bangkok. Wächterfiguren im Wat Pho („Marco Polos“). Die Figuren stammen aus Ayutthaya. Wenn die Berichte Marco Polos stimmen – er erreichte offenbar Birma, sein Weg tangierte zumindest Siam, kannte er Sukhothai. Foto: Wolfgang Brauer (2025)

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Taksin der Große (1734-1782) war als General im burmesisch-siamesischen Krieg 1764/1767 mit für die Verteidigung Ayutthayas zuständig. Entweder erkannte er rechtzeitig die Sinnlosigkeit dieses Unterfangens oder – er galt als impulsiv – er konnte die Kommandogebahren des Königs nicht mehr ertragen, der die althergebrachten Rituale nach Auskunft der Chronisten über die militärischen Notwendigkeiten stellte. Jedenfalls gelang es Taksin kurz vor der endgültigen Eroberung der Stadt, den Belagerungsring zu durchbrechen und sich mit etwa 1000 – manche sprechen von 500 – seiner Soldaten an die Ostküste des Golfs von Thailand abzusetzen. Von dort aus ging er erfolgreich gegen die birmanischen Besatzer vor, selbst das inzwischen zum ausgeplünderten Ruinenfeld gewordene Ayutthaya vermochte er zurückzuerobern. Im Oktober 1767 wurde Taksin aufgrund seines Sieges zum König ernannt. Zur neuen Hauptstadt machte er das am Westufer des Chao-Praya-Flusses gelegene Thonburi (heute ein Stadtteil von Bangkok). Taksin sicherte das Reich mit harter Hand. Vielleicht mit zu harter Hand – jedenfalls machte er sich etliche Feinde bei den Eliten Siams. Offensichtlich litt er dazu unter einer zunehmenden Paranoia, die sich in Blutttaten auswirkte, die zu seiner Entmachtung führten. Taksin wurde im April 1782 hingerichtet. Wahrscheinlich „königlich“. Niemand darf in Thailand das Blut eines Königs vergießen. Also steckte man ihn in einen Samtsack und erschlug ihn dann mit einer Sandelholzkeule. Wahrscheinlich jedenfalls, der wirkliche Ablauf ist umstritten. Sein Nachfolger sorgte allerdings einige Zeit später für eine würdige königliche Bestattung.


König Taksin der Große. Foto: Wolfgang Brauer (2025)

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Der Nachfolger hieß Buddha Yod Fa Chulalok (1737-1809) und begründete die noch heute regierende Chakri-Dynastie. Nachdem König Vajiravudh (Rama VI.) – der älteste Sohn und Nachfolger Chulalongkorns, siehe weiter unten – bemerkte, dass es gerade westlichen Ausländern schwerfiel, die thailändischen Königsnamen korrekt auszusprechen, ordnete er die Verwendung des Namens „Rama“ an, und die Könige der Dynastie wurden nummeriert. So wurde aus Buddha Yod Fa Chulalok Rama I. Rama I. absolvierte unter König Taksin eine militärische Karriere. So eroberte er auch die laotische Hauptstadt Vientiane – deren heute gebräuchlicher Name stammt aus der französischen Kolonialzeit; laotisch: Vieng Chan. Bei der Plünderung der Stadt ließ Chulalok den Smaragd-Buddha als Kriegsbeute mitgehen. Die eigentlich aus Jade bestehende Figur wurde zum Nationalheiligtum Thailands und wird im Wat Phra Kaeo, dem wichtigsten Tempel im alten Königspalast von Bangkok, aufbewahrt.


Bangkok: Wat Phra Keo. Foto: Wolfgang Brauer (2025)

Natürlich wird auch Chulalok in überaus kriegerischer Pose dargestellt. Seine tatsächlichen Verdienste liegen allerdings in der inneren Stabilisierung Siams, das von ihm wieder zu einem funktionierenden Staatswesen umstrukturiert wurde. Nach außen wirkten seine Reformen wie ein roll back in die Zeiten Sukothais, was den niederländisch-australischen Historiker und Thailand-Spezialisten B. J. Terwiel veranlasste, von einer „Innovation im Gewand der Orthodoxie“ zu sprechen. Der König verlegte übrigens seine Hauptstadt an das Thonburi gegenüber liegende Ufer des Chao Praya. Das dort liegende Fischerdorf hieß Bangkok. In den thailändischen Schulen wird noch heute das „Ramakien“ gelesen, die hiesige Variante des indischen „Ramayana“. Geschaffen hat die Übertragung aus dem Sanskrit König Rama I.


König Buddha Yod Fa Chulalok der Große (Rama I.).

Foto: Wolfgang Brauer (2025)

Damit wir König Vajiravudh nicht ganz aus den Augen verlieren – in der Statuenreihe des Rajabhakti Parks erhielt er keinen Platz –: In seine Regierungszeit (1910-1925) fiel die Teilnahme des Königreiches Siam am Ersten Weltkrieg auf Seiten der Entente. Vajiravudh schickte 2000 Elitesoldaten nach Europa. Als sie dort eintrafen, waren die Kampfhandlungen allerdings schon beendet. Ich weiß nicht, ob das Zufall war oder politisches Kalkül. Immerhin nahm das siamesische Korps an den diversen Siegesparaden teil und erregte dort Aufsehen.

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König Mongkut, Rama IV. (1804-1868), war eine ungewöhnliche Persönlichkeit. Auf dem Denkmalssockel wird er natürlich mit dem üblichen Königsassecoire, dem Schwert, abgebildet. Auch der jetzige König Vajiralongkorn (Rama X.) hat auf den meisten seiner Darstellungen im öffentlichen Raum zumindest eine Hand an einem Schwertknauf. Rama IV. jedoch hält das Schwert locker in der Linken. Die rechte Hand ruht auf einem Teleskop. Es wirkt, als habe sich der König nicht so recht entscheiden wollen… Als Prinz widmete sich Mongkut intensiv den Wissenschaften: Geschichte, Archäologie – die Bewahrung der Ruinen Ayutthayas ist zu großen Teilen ihm zu danken – und vor allem Astronomie. In der Zeit seines Klosteraufenthaltes – von jedem künftigen thailändischen König wird verlangt, eine gewisse Zeit als Mönch zu leben – lernte er Latein und Englisch. König Mongkut setzte die behutsame Modernisierungspolitik seiner Vorgänger fort und betrieb meisterhaft die schon erwähnte Schaukelpolitik zwischen den europäischen Großmächten. Auch gegenüber dem Kaiserreich China setzte er selbstbewusst auf die Eigenständigkeit Siams. Dass dieses Vorgehen berechtigt war, zeigen die für China verheerenden Ergebnisse des Zweiten Opiumkrieges mit England (1856-1860), der mitten in seine Regierungszeit fiel. Mongkut wurde 1851 gekrönt. Durch seine kluge Politik gehörte der König zu den Garanten der thailändischen Unabhängigkeit.


König Mongkut (Rama IV.). Foto: Wolfgang Brauer (2025)

König Mongkut ist in Europa und Nordamerika einer der wohl bekanntesten thailändischen Monarchen. Schuld daran ist seine Idee, im Palast von Bangkok eine Schule einzurichten, um den Kindern der Höflinge und dem eigenen Nachwuchs eine solide Ausbildung zukommen zu lassen. Als Englischlehrerin arbeitete dort von 1862 bis 1867 die britisch-indische Lehrerin Anna Leonowens. 1870 veröffentlichte sie Erinnerungen an die Zeit im Bangkoker Königspalast: „The English Governess at the Siamese Court“ („Die englische Erzieherin am Hof von Siam“). Die Hochstapelei liegt schon im Titel: Leonowens war nie Erzieherin der königlichen Kinder. Sie hatte kaum Zugang zum Monarchen. Mongkuts ältester Sohn Chulalongkorn – 1853 geboren erhielt auch er Englisch-Unterricht von Anna Leonowen – suchte seine Lehrerin während einer Europareise 1897 in London auf – seit 1873 war er der absolut regierende König von Siam! – und wollte wissen, weshalb sie seinen Vater „äußerst lächerlich dargestellt habe“. Sie hätte ein „boshaftes Buch“ geschrieben. Anna Leonowen blieb stur.

Weltweite Bekanntheit erlangte diese Geschichte allerdings erst durch den Roman „Der König und ich“ (1944) von Margaret Landon. Am New Yorker Broadway wurde das Buch 1951 zum Musical „The King an I“ verwurstet. Mittlerweile gibt es vier Verfilmungen. Die letzte, „Anna und der König“ – 1999; Regie: Andy Tennant, in den Hauptrollen Jody Foster und Chow-Yun Fat –, musste in Malaysia gedreht werden. Die thailändische Regierung verweigerte die Drehgenehmigung. Der Film selbst darf ebenso wie das Musical in Thailand nicht aufgeführt werden. Sie fallen unter das Majestätsbeleidigungsgesetz. Das Gesetz gilt nicht nur in Bezug auf das regierende Königshaus und die Institution der Monarchie generell, sondern gilt auch rückwirkend auf die Monarchen der Vergangenheit. Die Strafen sind sehr hart, bis zu 15 Jahre Freiheitsentzug, auch die Beleidigung ausländischer Monarchen und befreundeter Staatsoberhäupter ist strafbar. Hier gelten sieben Jahre Haft als Höchststrafe. „The King an I“ ist allerdings ein ziemlicher Schmarren; auch wenn die 1999er-Verfilmung quasi mit dem politischen Weichzeichner arbeitet, die koloniale Brille lässt sich nicht verbergen…

Aber wir haben das Teleskop beinahe aus den Augen verloren. Auch als König widmete sich Mongkut seiner Lieblingswissenschaft, der Astronomie. So berechnete er auf der Grundlage eigener Forschungen die Sonnenfinsternis vom 18. August 1868 und ließ zur besseren Beobachtung am topographisch günstigsten Ort der Beobachtung ein Observatorium bauen. Leider war das inmitten eines malariaverseuchten Gebietes. Der König infizierte sich und starb am 18. Oktober 1864, seinem 64. Geburtstag, in Bangkok.

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Nachfolger – er überlebte die Malaria – wurde sein Sohn Chulalongkorn (1853-1910), Rama V.; gekrönt wurde er aber erst mit Erreichen der Volljährigkeit 1873. Chulalongkorn war eigentlich der erste moderne Herrscher Siams. Er krempelte das Land Schritt für Schritt, aber sehr konsequent, um. Neben Bhumibol Adulyadej (1927-2016) ist er der wohl immer noch beliebteste König in der Geschichte Thailands bzw. Siams.


König Chulalongkorn der Große (Rama V.).
Foto: Wolfgang Brauer (2025)

Noch als Kronprinz befasste sich Chulalongkorn vor Ort mit den Zuständen in den europäischen Kolonien Südostasiens und zog daraus für sich offenbar zwei Schlüsse: die Notwendigkeit, die noch mittelalterlich geprägten Verhältnisse im Lande zu überwinden und zugleich die Kolonialmächte durch eine geschickte Weiterentwicklung der von Narai dem Großen entwickelten „Schaukelpolitik“ vor der Tür zu lassen. Beides gelang ihm. Durch den Verzicht auf die laotischen Provinzen, die gingen im französischen Indochina auf, und die Abgabe von vier malaiischen Sultanaten 1909 an die Briten wurde das Königreich Siam quasi zur Pufferzone zwischen den beiden Kolonialreichen und konnte seine Unabhängigkeit wahren. Die 1939 erfolgte Umbenennung Siams in „Thai-Land“ = „Land der Freien“, nahm darauf Bezug. Allerdings hatte man es 1939 zudem mit dem Kaiserreich Japan zu tun, dessen Parole „Asien den Asiaten“ auch in Siam offene Ohren fand.

Die innere Modernisierung war ungleich schwerer und stieß auf den erbitterten Widerstand der Eliten, die erhebliche Einnahmeverluste hinnehmen mussten. König Chulalongkorn schuf eine Art Finanzministerium und gewann so erstmals einen Überblick – und die Verfügungsgewalt! – über die staatlichen Steuereinnahmen, die bislang zu einem guten Teil im Nirgendwo versackten. Zu einem wichtigen Instrument der Durchsetzung seines absolutistischen Herrschaftsanspruchs wurde der Staatsrat, vor allem bei der heftige Gegenwehr findenden Abschaffung von Fronarbeit, Sklaverei und Glücksspiel – das viele Menschen in eben diese Sklaverei trieb. Der Ausbau von Infrastruktur, Bildungs- und Gesundheitswesen sorgte zudem für eine nachhaltig positive Aufnahme seiner Politik durch die Bevölkerung.

Die Akten und Dokumente der von König Chulalongkorn vorgenommenen „Transformation Siams“ gehören inzwischen zum UNESCO-Weltkulturerbe. Zu Recht, wie ich finde. An seiner Macht ließ Chulalongkorn nicht rütteln. Gleichwohl schaffte er das alte Ritual der Niederwerfung vor dem König ab. König Bhumibol hat es in den 1960ern wieder eingeführt. Geschichte läuft mitunter so.

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So, jetzt gehen wir besser wieder in den Schatten, sonst gibt es am hellerlichten Tage Phantasien in der Tropensonne. Dass links neben dem Monument im Schatten eines Palmenhains ein Uniformierter ein gesatteltes Pferd striegelt, eine Szene wie aus einem englischen Indien-Film, ist kein Trugbild. Gegen ein kleineres Trinkgeld kann man sich in den Sattel heben lassen und von dort aus die Könige gleichsam von einem erhöhten Sitzpunkt fotografieren. Sich selbst natürlich auch. Ich habe das nicht getan. In Sachen Geschichtsbetrachtung ist mir der feste Boden unter den Füßen lieber.


Straßenszene in Samut: Ehrentor für König Vajiralongkorn (Rama X.).
Foto: Wolfgang Brauer (2025)

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