von Heinz Jakubowski
Ach, Sahra Wagenknecht… Wie oft haben Sie sich (und freilich keineswegs grundlos) über den unfairen Umgang der anderen Parteien mit der Ihren beklagt: Was für ein miserabler Stil, den seriösen Anderen wenn schon nicht zu begeifern, ihn dann doch wenigstens zu ignorieren, wo es eigentlich um zielführende Kooperation zur Wohlfahrt der Bürger (einst im DDR-Deutsch: „Unsere Menschen“) gehen müßte. Dem ist nun in keiner Weise zu widersprechen.
Wie indes die parlamentarische Realität aussieht, hat der leider so früh verstorbene Roger Willemsen nach einjähriger Dauergastrolle im Plenarsaal des Deutschen Bundestags in seinem Buch „Das Hohe Haus“ (2014) beschrieben, und herausgekommen ist keine Eloge auf die politische Kultur, sondern Beschämung. „Keine Unterstellung ist zu niedrig, kein Vorwurf zu drastisch, kein Nachweis zu entlarvend, kein Anwurf zu ehrenrührig…[…] Kein Argument ist zu schlicht, um es nicht in den Bundestag zu schaffen […] Das Flussbett, durch das sich der Redestrom wälzt, hat zwei Ufer: Selbstlob und die Herabsetzung des Gegners.“
Dass auch Sie, liebe Frau Wagenknecht, sich auf diesem Niveau bewegen statt ein anderes Beispiel zu geben, haben mehrere Ihrer Debattenbeiträge und sonstige Verlautbarungen belegt. Dass es sich bei der Ampel um „die dümmste Regierung Europas“ handele, war bislang nur das ehrenrührigste Sahnehäubchen und hätte rhetorisch selbst der Opposition von ganz rechts zur (Un)Ehre gereicht.
Allerdings kann man Gegnerschaft und Ablehnung im Parlament auch nonverbal zelebrieren, womit ich beim Anlass dieser Zeilen wäre.
Zufällig in die Haushaltsdebatte am 11. September hineinzappend, erlebe ich noch, wie die Rednerin der Linken, Heidi Richinnek, sich energisch dagegen verwahrt, dass riesige Geldmengen statt in Bildung, Gesundheit etc. in die Rüstung fließen, womit sie dem dringend notdürftigen Gemeinwohl entzogen sind. Nun geht es mir nicht um die Bewertung dieser Argumentation, vielmehr um die via Kamerablick ersichtliche Reaktion Ihrer Gruppe darauf. Da sitzt das BSW (immer noch auf dem mißbrauchten Linken-Ticket) neben der Gruppe der Linken und reagiert auf allemal zustimmungsfähige Aussagen der Linken-Rednerin mit eisigem Schweigen – ein“stimmig“, wie es sich für eine Kaderpartei gehört. Erbärmlich… – und das selbst dann, wenn es die Gruppe der Linkspartei im umgekehrten Falle ebenso gehandhabt haben sollte, was wahrzunehmen ich leider keine Gelegenheit hatte.
„Wenn die AfD sagt, der Himmel ist blau, wird das BSW nicht behaupten, er sei grün. Daraus Koalitionsabsichten abzuleiten, ist kindisch“, haben Sie kürzlich verlautbart. Und: „Es braucht einen anderen Umgang und vor allem braucht es in Bund und Ländern endlich eine vernünftige Politik, die den Wünschen der Bürgerinnen und Bürger Rechnung trägt, statt sie wütend zurückzulassen.“1
Keine Ahnung, wie Sie Ihr Verhältnis zur AfD weiterzuentwickeln gedenken, mit der Aussage über den politischen Umgang hätten Sie bei der Linken schon mal anfangen können. Welch Hoffnung, dass Sie vielleicht doch noch als Stilikone firmiert werden könnten, was über die Ihnen längst als ikonisch attestierte Gewandung hinausginge.
Aber ach: Same procedure as every party…
1 https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/wagenknecht-umgang-afd-100.html; letzter Zugriff am 19.09.2024.
Wer ist Iris Schwerdtner? Ines Schwerdtner sitzt in keinem Parlament.
Lieber Jens Neumann,
das ist richtig. Gesprochen hatte Heidi Richinnek, Co-Vorsitzende der Gruppe der Linken. Meines Wissens will sie sich auch nicht um den Parteivorsitz bewerben.
Ich hab den Beitrag von Heinz Jakubowski korrigiert. Gerade mir hätte der Fehler auffallen müssen. Danke für die Aufmerksamkeit!
Mit besten Grüßen
Wolfgang Brauer
Noch etwas zur Seriosität von BSW:
Wie soll man jemanden erst nehmen, der – als Juniorpartner (!) einer potentiellen Landes(!)-Koalition – vom Seniorpartner verlangt, er möge einem außenpolitischen Grundsatz seiner Partei abschwören, wenn er mit Ihnen koalieren wolle? Kann es sein, dass Sie gar nicht regieren wollen, weil das ohne Kompromisse nicht geht, sondern sich viel lieber in der Opposition als Dauerankläger und also als bewunderter Volkstribun gerieren, Frau Wagenknecht?