Es gibt wieder Schokolade in Berlin, Koreaner gehen an die Front, Melania Trump wird fotografiert, und in Moskau achtet man auf den Brandschutz

„In der Nacht vom vergangenen Sonntag auf Montag [11. November 2024 – H.Jak.] ab genau 3.14 Uhr hatten Süßigkeiten-Fans angefangen, in der Mall of Berlin vor dem Geschäft von Lindt Schlange zu stehen, um eine der begehrten 150-Gramm-Tafeln zu ergattern“, berichtete die Berliner Zeitung dieser Tage. Da der Hype um diese Süßigkeit offenbar vorrangig über die bei jungen Menschen gebräuchlichen Plattformen (Instagram / Tic Tok etc.) ausgelöst und befeuert worden ist und wird, dürfte es nicht sehr abwegig sein, sich die Schlangesteher vornehmlich als Infantilisten in den 20er- / 30er-Jahren vorzustellen. Nun ist dieser Vorgang nicht neu. Ähnliches gab es, als neue Turnschuhe, nunmehr werbewirksam Sneakers geheißen, in die Läden kamen oder etwa auch im Fall neuer Versionen von Mobiltelefonen.

Ich habe Ende der 1980er-Jahre in Nordkorea besichtigen können, wie es aussieht, wenn ein ganzes Volk abgerichtet worden ist und wird. Was dort auf dem Gebiet von komplexer Erziehung und Bildung erfolgt, ist dank der Abschottung des Landes total. Davon kann  hierzulande freilich  heute keine Rede sein; nicht mal auf die damalige DDR traf das so zu. Abgerichtet indes wird aber bei uns sehr wohl – auf dem Gebiet, das  der marktwirtschaftlich grundierte Staat  dem „mündigen“ Menschen als dessen wichtigste Rolle zuweist: die des Konsumenten. Nicht, dass es das obige Beispiel dazu bräuchte, aber den Manipulatoren der menschlichen Bedürfnisstrukturen – Produzenten und Werbeträgern – muss man neidlos gratulieren.

(Heinz Jakubowski)

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Der Einsatz nordkoreanischer Soldaten auf russischer Seite im Ukraine-Krieg führt zu wüsten Spekulationen in den Medien und im Netz. Manche befürchten eine Neuauflage des Mongolensturms, der sich einst über das arme Europa ergoss. Andere wiederum lästern mit westlicher Arroganz ab. Am zurückhaltendsten ist da noch das US-State-Departement. Dessen Sprecher Vedant Patel wird vom Tagesspiegel (13.11.2024) mit der Aussage zitiert, dass zwischen den koreanischen Einheiten und den russischen Truppen „Sprachbarrieren“ bestünden. Woher er das weiß, sagt er nicht. Patel wird Koreanisch eher nicht sprechen. Aber er hat offenbar die Geschichte der Kriege Napoleons studiert. Dessen Sieg bei Austerlitz war auch darauf zurückzuführen, dass die ihm gegenüber stehenden russischen und österreichischen Offiziere einander nicht verstanden. Es bestanden „Sprachbarrieren“…

Aber die investigativen Kriegsberichter des Tagesspiegels stießen bei ihren Recherchen auf ein anderes Problem, das offenbar die Kampfkraft der Nordkoreaner entscheidend lähmen könnte: die Pornographie. Das Blatt zitierte am 12. November Gideon Rachman von der Financial Times, der auf X anmerkte, die Segnungen des Internets seien den Nordkoreanern bislang völlig unbekannt gewesen. Jetzt wäre ihnen alles plötzlich zugänglich, sagt Rachman und äußert die Vermutung: „As a result, they are gorging on pornography.“ (Im Ergebnis stopfen sie sich mit Pornographie voll.) Die individuelle Kampfkraft ist dann natürlich im Eimer.

Der Tagesspiegel wirbt übrigens für sich mit dem Slogan „Jetzt ist Zeit für verlässliche Nachrichten.“

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Die Berliner Zeitung wiederum beschwert sich über den kulturlosen Umgang des Kremls mit dem Wahlsieger Donald Trump. Sie verdrängt dabei allerdings die eigenen Bösartigkeiten, die sie über den 47. US-Präsidenten verbreitete, als „die freie Welt“ noch auf Kamala Harris setzte. Präsident Putin verweigerte das Glückwunschtelegramm und den Gratulationsanruf – zumindest hier ist ihm Olaf Scholz voraus – mit der Begründung, man befände sich ja wohl irgendwie in einer Art Kriegszustand zueinander und ließ statt dessen seine Boulevard-Journalisten Jewgeni Popow und Olga Skabejewa von der Leine. Die moderieren bei Rossija 1 die Sendung „60 Minuten“ und kühlten jetzt genüßlich ihr Mütchen an 24 Jahre alten Aktfotos der ehemaligen und sicher auch künftigen „First Lady“. Die arbeitete vor der Eheschließung mit Donald Trump als Fotomodell. Einmal abgesehen davon, dass das (offizielle) Verhältnis der russischen Obrigkeit zu Sexualität und Erotik so etwas von mittelalterlich ist, das war einfach nur schäbig. Melania Trump hat bewundernswert gelassen gekontert.

Der „Berliner“ hingegen ist dringend zu raten, sich für einen fast ganzseitigen Artikel mit vielen Fotos vom 7. November 2024 („Die First Lady und ihre Klamotten“) zu entschuldigen, in dem das Blatt genüßlich die Garderobe der Dame analysiert und sie einfach mal als zumindest geschmacklos einstuft. „Siebzigerjahre-Tapete“ war noch der harmloseste Lehmklumpen. Das war geschmacklos und nicht viel besser als die Lakenschnüffelei von Rossija 1.

Weshalb die Berliner Zeitung bei vielen inzwischen als Medienprodukt gilt, das sich insgesamt vom „Mainstream“ abhebt, ist mir ein Rätsel.

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Heute kam die Agenturmeldung, dass auch die Moskauer Stadtverwaltung das Volk vor Schaden bewahren möchte. Nämlich vor der Gefahr, bei einem Ausstellungsbesuch Feuer zu fangen. Sie hat das „Staatliche Museum der Geschichte des Gulag“ (Государственный музей истории ГУЛАГа) schließen lassen. Nicht aus politischen Gründen, Zensur liegt auch der Kulturverwaltung der russischen Hauptstadt fern. Aus Brandschutzgründen habe man sich zu diesem Schritt entschließen müssen. Das Museum hat erst 2015 seinen jetzigen Standort neu bezogen. Allerdings liegt es nur ca. 3 km vom Kreml entfernt.
(14.11.2024)

2 Kommentare

  1. Zusatzmüll
    Wer im vorabendlichen ÖR-TV Werbeblöcke über sich ergehen läßt, wird feststellen, dass in einem etwa 3minütigem Block mindestens dreimal für die „bequeme“ Freihauslieferung“ von Medikamenten durch eine mittlerweile beachtlich große und wachsende Zahl von Anbietern geworben wird. Was für eine übersichtliche Gruppe von Menschen – Alten und Siechen etwa – sicher hilfreich ist dürfte für jemanden wie Günther Jauch, der weder zu den einen noch den anderen gehört, aber in keinem besagter Werbeblöcke fehlt, kaum zutreffen.

    Sei´s drum. Da Jauch aber bei Lidl unter dem Rubrum „Aus Liebe zur Natur“ auch für die PET-Kreislaufflaschen wirbt, ist im Falle des medikamentösen Lieferdienstes allerdings anzumerken, dass es – wie das eh immer ausuferndere Lieferwesen generell – noch mehr Fahrzeuge samt deren Energieverbrauch und ökologischer Belastungen auf die Straße bringt.

    Aber ach, nur Neider werden wohl anmerken wollen, dass gewiss beides ähnlich gut bezahlt wird.

    Ist man eh privilegiert,
    verdient sich´s halt ganz ungeniert

    Wie die Industrie „Bedürfnisse“ schafft und befriedigt, belegt auch diese aktuelle Pressemeldung:
    https://www.t-online.de/mobilitaet/aktuelles/id_100531570/brabus-1000-all-gray-mercedes-s-klasse-wird-zum-1000-ps-boliden.html

    Inwieweit diese Geschosse auch zur Auslieferung von Medikamenten geeignet ist, überliefert die Mitteilung nicht…

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